Ab wann besteht ein Anspruch auf Pflichtverteidigung?

 Es gibt verschiedene Fälle in denen die Pflichtverteidigung zwingend vorgeschrieben ist. Diese sind in § 140 Abs. 1 StPO geregelt.

Danach ist ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn

  • die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet;
  • dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird (§12 StGB);
  • das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
  • gegen einen Beschuldigten Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112 a oder einstweilige Unterbringung nach § 126 a oder § 275 a Abs. 6 StPO vollstreckt wird
  • der Beschuldigte sich mindestens drei Monate auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird;
  • zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach §81 StPO in Frage kommt
  • ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
  • der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
  • dem Verletzten nach den ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.


Darüber hinaus ist ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

Die Schwere der Tat beurteilt sich nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung. Meist wird angenommen, dass ab einer Straferwartung von einem Jahr ein Grund für eine Beiordnung als Pflichtverteidiger vorliegt. Dies gilt unabhängig davon, ob die erwartete Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann oder ob es sich um eine Gesamtstrafe handelt. Zudem sind auch sonstige schwerwiegende Nachteile zu berücksichtigen, die dem Beschuldigten im Fall einer Verurteilung drohen. Hierzu gehört sicherlich die drohende Ausweisung als auch ein drohender Bewährungswiderruf.

Eine schwierige Sach- und Rechtslage kann angenommen werden, wenn beispielsweise die Schuldfähigkeit des Angeklagten  überprüft werden soll. Auch kann diese anzunehmen sein, wenn in einem länger dauernden Verfahren eine Vielzahl von Zeugen zu vernehmen sind. Da gesetzlich geregelt nur der Verteidiger ein Akteneinsichtsrecht hat, kann auch eine umfassende Akteneinsicht eine Rolle bei der Beiordnung eines Pflichtverteidigers spielen.

Die Unfähigkeit sich selbst zu verteidigen richtet sich nach den geistigen Fähigkeiten, dem Gesundheitszustand des Angeklagten oder den sonstigen Umständen des Falles. Auch das Alter oder eine vorliegende schwere Suchterkrankung oder dass der Beschuldigte unter Betreuung steht kann die Beiordnung rechtfertigen. Es reicht aus, dass erhebliche Zweifel an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung vorliegen.





Kann ich meinen Pflichtverteidiger frei wählen?

Der Beschuldigte kann seinen Pflichtverteidiger frei wählen. Ist der Beschuldigte auf freiem Fuß wird spätestens mit Zustellung der Anklageschrift eine Frist gesetzt, in der dem Beschuldigte einen Anwalt benennen kann, der ihm als Pflichtverteidiger beigeordnet werden soll. Benennt der Beschuldigte keinen Anwalt, wählt das Gericht einen Anwalt für ihn aus. 

Ich rate Ihnen, das Ihnen dieses Wahlrecht zu nutzen. Nur so können Sie selbst entscheiden, wer Ihre Verteidigung übernimmt.


Sollte Ihnen bereits ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden sein, besteht trotz dessen die Möglichkeit eines Pflichtverteidigerwechsels oder der Beauftragung eines Wahlverteidigers neben dem Pflichtverteidiger. Gerade wenn der Pflichtverteidiger aufgrund der Straferwartung beigeordnet wurde, macht es Sinn einen auf Strafrecht spezialisierten Anwalt zu beauftragen. Aufgrund der Fortbildungspflichten und der Voraussetzungen für die Erlangung des Titels des Fachanwaltes, ist die Beauftragung eines Fachanwaltes für Strafrecht in schwierigen Fällen dringend anzuraten. Als ortsansässige Anwältin kenne ich auch die Begebenheiten in Mosbach, Buchen und Heilbronn. 

Wer bezahlt den Pflichtverteidiger?

Der Pflichtverteidiger wird erstmal aus der Staatskasse bezahlt und erhält reduzierte Gebühren.

 

Es kann jedoch mit dem Mandanten eine zusätzliche Vereinbarung getroffen werden. Dies ist oftmals abhängig vom Umfang der Sache. Im Falle einer Verurteilung werden dem Angeklagten in der Regel die Verfahrenskosten auferlegt. Das heißt die Staatskasse fordert die bereits gezahlten Pflichtverteidigergebühren dann von dem Verurteilten zurück. 

 Ab welchem Zeitpunkt besteht ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?

Liegen die Voraussetzung für eine Beiordnung als Pflichtverteidiger vor, ist der Verteidiger spätestens dann zu bestellen, wenn dem Angeklagten die Anklage vom Gericht zugestellt wird und das "Zwischenverfahren" eröffnet wird. Jedoch ist auch im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft eine Beiordnung  möglich. Diese muss von der Staatsanwaltschaft nach deren Ermessen beantragt werden.  

 

Hinweis

Diese Rechtstipps haben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Im Einzelfall kann eine andere Entscheidung angezeigt sein. Die  Rechtstipps sollen und können eine anwaltliche Beratung nicht ersetzen. Im Zweifel sollten Sie den Rechtsanwalt ihrers Vertrauens kontaktieren. Über die eingerichtete Kontaktfunktion auf meiner Website, die allgemeinen Kontaktinformationen und Notfallnummer für Durchsuchungen, Festnahmen oder Verhaftungen stehen ich Ihnen gerne zur Verfügung.